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Mit Geld und Logistik gegen den Verkehrsinfarkt

Das Geschäft der Transportunternehmen brummt. Doch ohne Investitionen in die Straßen droht ein Verkehrsinfarkt. Darüber sind sich die Experten beim 9. Truck-Symposium von ADAC Mittelrhein und TÜV Rheinland am Nürburgring weitgehend einig, wo unter anderem die Themen Sanierungsstau und elektronische Verkehrssteuerung zur Debatte standen. Dabei halten die Skeptiker den Straßenerhalt sowie den Straßenneu- und ?ausbau für chronisch unterfinanziert. Es geht dabei um Milliarden-Beträge.

Manche Lösungsvorschläge könnten aber relativ kostengünstig umgesetzt werden: „Anpassungen bei den Sozialvorschriften oder eine Auflockerung der Fahrverbote wären beispielsweise denkbare Ansätze, um die Verkehrssituation zumindest punktuell zu entkrampfen“ sagt Dr.-Ing. Klaus Manns, Vorsitzender ADAC Mittelrhein. Konkret bezieht sich das sowohl auf eine zeitliche als auch räumliche Entzerrung. „Die Verlagerung des Lkw-Verkehrs auf bestimmte stark befahrene Fernverkehrs-Strecken in die Nacht kann helfen, die üblichen Spitzenbelastungen zu verringern.“ Außerdem könne über eine Auflockerung von Sonn- und Feiertagsfahrverboten nachgedacht werden. Die Leidtragenden wären in diesem Fall jedoch wieder Mal die Fernfahrer. Und der tatsächliche Effekt ist zumindest fraglich.

„Zur Optimierung des Verkehrsflusses solle elektronisches Geschütz aufgefahren werden“, findet Prof. Dr.-Ing. Jürgen Brauckmann, Mitglied des Vorstands TÜV Rheinland. „Dazu zählen moderne Informations- und Telematik-Systeme, die künftig Fahrzeuge und Verkehrsraum sinnvoll aufeinander abstimmen. Durch Car-to-Car- und Ampel-Kommunikation, Verkehrszeichenerkennung, Müdigkeits-Sensoren sowie intelligente Parkraum-Verwaltung lassen sich Unfälle und Staus reduzieren und Engpässe wie etwa an Baustellen eingrenzen.“

Eine wichtige Rolle bei der Optimierung des Verkehrsflusses spielt auch das Baustellen-Aufkommen selbst. „Wir brauchen eine neue Planung des Baustellen-Managements“, sagt Stefan Strick von der Bundesanstalt für Straßenwesen. Um die Auswirkungen von Straßenarbeiten auf den Verkehr auf ein Minimum zu reduzieren, werde an einem IT-gestützten Analyse-System gearbeitet. Zu den darin erfassten Daten gehören unter anderem die Lage der Baustellen sowie die dortige Verkehrsbelastung zu jeder Stunde des Tages und der Nacht. 2015 beginne unter der Bezeichnung „ITS-Korridor“ eine entsprechende Kooperation von Deutschland, den Niederlanden und Österreich auf einer Strecke von Rotterdam über Frankfurt am Main bis nach Wien. Verursacht die Anschaffung solcher Systeme noch vergleichsweise moderate Kosten, so geht es bei der Sanierung der Infrastruktur um sehr viel Steuergeld. Dr. Karl-Heinz Daehre, ehemaliger Verkehrsminister von Sachsen-Anhalt und Vorsitzender der Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastruktur-Finanzierung“ (Daehre-Kommission). Er geht davon aus, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland und die Mobilität der Bürger durch einen fortschreitenden Substanzverzehr der Verkehrs-Infrastruktur ernsthaft gefährdet seien. Dies lasse sich in der Baulast des Bundes, der Länder, der Landkreise und der Gemeinden feststellen.

Das von der Daehre-Kommission ermittelte Defizit von mindestens 7,2 Milliarden Euro pro Jahr für die Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraße zeige mehr als deutlich den Handlungsbedarf, um weitere volkswirtschaftliche Schäden zu vermeiden – und dies auch vor dem Hintergrund der Schuldenbremse. Häufig würden aus politischen Motiven Geldmittel aus dem Erhalt der Straßen in Neubauten gesteckt. Und in deutlich geringerem Umfang würden Neubaumittel für Erhaltungsmaßnahmen wie kurzfristige Schlaglochprogramme umgewidmet. Das Beispiel Bundesautobahnen zeige die Folgen besonders drastisch: „Ein fehlender Euro im Erhalt vernichtet zwei Euro an Vermögenswert“, betont Daehre.

Um derweil die vorhandene Infrastruktur effizient zu nutzen, sollen Leerfahrten vermieden werden. Denn „fast ein Viertel (23,2 Prozent) aller von schweren Lkw zurückgelegten Fahrzeug-Kilometern in der EU entfällt auf leere Fahrzeuge“, moniert Prof. Dr.-Ing. Heinz-Leo Dudek von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Ravensburg (DHBW). Auch würden nur teilweise beladene Fahrzeuge häufig unterwegs sein, gehe aus dem Bericht der Daehre-Kommission hervor. Ein Lösungsansatz biete hier einmal mehr die Telematik: Dabei sammelt und strukturiert ein Kommunikations-System aktuelle Daten rund um das Fahrzeug wie Position, Ladungszustand oder Lenkzeit des Fahrers und überträgt diese zum Fahrzeugbetreiber. Gleichzeitig werden Anweisungen wie etwa Ladelisten oder Ortungszyklus an den Fahrer oder Steuersignale an die Bordsysteme übermittelt.

Bei einer Marktbefragung der DHBW über den qualitativen Nutzen von Telematiksystemen unter den Nutzern der Systeme hätten rund 70 Prozent der Befragten angegeben, dass die Geschäftsprozesse transparenter würden, so Dudek. Etwa 60 Prozent hätten bei den positiven Auswirkungen die Entlastung der Disponenten und die Verbesserung der Kundenzufriedenheit genannt. Über 50 Prozent hätten erklärt, dass durch die Telematik die Fahrzeuge effizienter eingesetzt sowie Umweg- und Leerfahrten reduziert würden. Lars Wallerang/mid mid/wal


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